Naturkatastrophen und Umweltprobleme

Kleine Inselstaaten - fern von paradiesischen Zuständen

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Die gemeinsamen Merkmale von Small Island Developing States (SIDS, die sie ökonomisch, ökologisch und geopolitisch anfällig machen für kleinste äußere Erschütterungen, sind bekannt. Das United Nations Environment Programme (UNEP) hat eine Reihe von Berichten erarbeitet und anlässlich der UNEP-Konferenz zum Schutz der Inselstaaten in Port Louis auf Mauritius (10.-14.01.2005) veröffentlicht.

Nukufetau, Tuvalu. Bild: Nasa

Viele Inselstaaten sehen sich mit der Bedrohung durch Naturkatastrophen konfrontiert. Doch wurde auf Mauritius nicht nur ausschließlich über die Folgen des Tsunami vom 26.12.2004 im Indischen Ozean diskutiert. Neben dem unermesslichen Leid, das diese Katastrophe den Anliegern zufügte, wurden auch natürliche Gegebenheiten schwer geschädigt, z.B. in Indonesien. Die Korallenriffe der Seychellen hatten sich gerade von einer gefährlichen Ausbleichung im Jahre 1998 erholt und wurden nun wieder stark in Mitleidenschaft gezogen - wie auch zahlreiche Mangrovenwälder.

Thema der Konferenz war vor allem eine nachhaltige Entwicklung der Inselstaaten. Denn nicht nur Flutwellen, Wirbelstürme oder Vulkaneruptionen stellen eine Gefährdung dar. Zunehmend gibt es Probleme mit der Trinkwasserversorgung (Kapverden, Komoren), ebenso mit der Bereitstellung von Wasser für die Landwirtschaft. Einige Inselgruppen der östlichen Karibik (Antiga und Barbuda, Barbados, Saint Kitts und Nevis) werden bereits offiziell als "knapp an Wasser" eingestuft - Tourismus-Komplexe vor Ort verbrauchen fünfzehn Mal mehr Wasser als vergleichbar große karibische Wohnbezirke.

Experten warnen aufgrund des Klimawandels, der gemäß UNEP eine Schlüsselangelegenheit für die SIDS ist, vor einer Verschärfung des Problems und sagen für die östliche Karibik einen Rückgang der Regenfälle um bis zu 4% in den kommenden Jahren voraus - falls deutliche Einschränkungen bei den Emissionen von Treibhausgasen ausbleiben sollten. Einige Staaten wie z.B. Barbados verwenden die Umkehr-Osmose zur Wassergewinnung aus Meerwasser, andere wiederum wenden sich der Gewinnung von Energie aus Wind-, Solar- oder Biomasse-Quellen zu, um ihre Abhängigkeit von Rohöl-Importen zu minimieren.

Pazifische SIDS sind aufgrund ihrer geringen Höhe über dem Meeresspiegel und ihrer Bevölkerungs- und Infrastrukturkonzentration im Küstenraum besonders anfällig für klimatisch bedingte Veränderungen. Einige Inseln wie Kiribati, die Republik der Marshall-Inseln und Tuvalu haben bereits kleine Inseln augrund des Anstiegs des Meeresspiegels verloren.

Tourismus-Kloake Karibik

Die Verschmutzung durch Kreuzfahrtschiffe, Tanker und andere Schiffe stellt eine ständig wachsende Bedrohung für Gesundheit und Wohlergehen der Inseln und tief liegenden Staaten der Karibik dar. Die Gegend ist einer der dicht befahrensten maritimen Knotenpunkte der Welt, mit jährlich ca. 50.000 Schiffen und 14,5 Millionen Touristen an Bord (60% des Anteils an Kreuzfahrtteilnehmern weltweit).

Die Küstenlinien vieler Inseln entlang der Fahrtrouten (z.B. zwischen dem Atlantik und dem Golf von Mexiko) werden stark beeinträchtigt. Hafen-Terminals müssen laufend umgebaut und erweitert werden, da die Größe der Schiffe ebenfalls ständig wächst. Ein typisches Kreuzfahrtschiff mit 3000 Passagieren an Bord scheidet täglich zwischen 400-1200 Kubikmeter Abwässer aus. Ebenfalls täglich fallen 70 Liter Sondermüll an, angefangen von Fotoentwicklern über Farben bis zu Lösungsmitteln, Laserdrucker-Kartuschen, NiCd-Akkumulatoren und Trockenreinigungsflüssigkeiten.

Ein Durchschnitts-Kreuzfahrtschiff erzeugt außerdem ca. 50 Tonnen Festmüll pro Woche. 900.000 Tonnen werden jährlich in die Weltozeane verklappt, fast ein Viertel davon stammt von Kreuzfahrtschiffen. Die Ballastwassertanks der Schiffe transportieren invasive Species herbei, die oftmals die Existenz einheimischer und teilweise einzigartiger und ohnehin gefährdeter Pflanzen und Tiere bedrohen. So wurden allein in der Dominikanischen Republik 186 Fremdspezies festgestellt.

Ölfilme vor den Bahamas

Die Karibik ist außerdem einem starken Öltanker-Verkehr ausgesetzt. Einige der Welt größten Rohöl-Förderer befahren die Gegend: Venezuela, Mexiko, Kolumbien, Trinidad und Tobago. Das Öl gelangt durch Unfälle oder unberechenbaren Umgang mit Resten in karibische Gewässer.

Trotz gesetzlicher Auflagen werden große Volumina an Kohlenwasserstoffen und anderen Substanzen von Tankern und Privatschiffen ohne Umschweife direkt in das Meer entsorgt. Die Vertreter der Bahamas berichten, dass ihre Gewässer gern von Tankern genutzt werden, um deren Tanks zu reinigen; große Mengen Öl gehen dabei von Bord und hinterlassen Ölfilme auf der Meeresoberfläche.

In getrockneten Sedimenten in der Havanna-Bucht von Kuba wurden 1200 Milligramm Kohlenwasserstoffe pro Kilogramm gefunden, in Kingston Harbor in Jamaika 578 Milligramm Kohlenwasserstoffe pro Kilogramm.

Die International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (MARPOL 73/78) reguliert die Entsorgung von Öl, giftigen Substanzen und Müll von Schiffen. Anhang Fünf (1988) verbietet jegliche Entsorgung aller Formen von Plastik in die See. Ein Zusatz von 1993 bezeichnet den Großraum Karibik als anfälliges spezielles Gebiet, mit weiteren Restriktionen, wie Schiffe ihre Müllentsorgung durchzuführen haben. Die Festlegungen sind allerdings noch nicht in Kraft getreten, weil die Staaten noch nicht die Aufsichtsbehörde, in diesem Fall die International Maritime Organization (IMO), davon in Kenntnis gesetzt haben, ob sie über entsprechende adäquate Möglichkeiten verfügen, um mit den von den Schiffen produzierten Müllaufkommen fertig zu werden. Hier sollen jetzt weitere Verzögerungen bei der Umsetzung vermieden werden.

Knietief im Müll

Auf einigen Inseln sind zum Teil viel zu hohe und die Kapazitäten bei weitem übersteigende Bevölkerungsdichten anzutreffen, die an Zahlen aus Hongkong oder Singapur erinnern.

Die Müllentsorgung zählt zu den dringlichsten Problemen. Die Zunahme der Mengen an Konsumgütern und damit Verpackungsmaterial und Hausmüll bei gleichzeitiger Abwendung von traditionellen, bioabbaubaren Verpackungen sorgt für die Vermüllung abgeschlossener Lagunensysteme und beschädigt die Korallenriffe. Die Menge an Plastikabfall hat sich seit den 1990er Jahren verfünffacht. Elektronische Konsumgüter mit potentiell toxischen Chemikalien in den Bauteilen überschwemmen den Markt und landen anschließend auf wilden Müllkippen.

Die Verschmutzung von Küstenlinien, küstennahen Gewässern und Ozeanen hat mittlerweile drastische Ausmaße angenommen.

In den Inselgegenden des Atlantischen und Indischen Ozeans hat sich der Verpackungsmüll gleichzeitig als handfeste Gesundheitsbedrohung etabliert. Das sich in leeren Getränkedosen sammelnde Wasser ist ein idealer Schlupfplatz für Larven von Krankheiten wie Malaria übertragenden Insekten. Besonders betroffen davon sind Madagaskar und die Komoren. Müllabfuhr- und Deponierung sind hier fast nicht vorhanden, große Teile der Bevölkerung entsorgen ihren Müll in gerade geeignet erscheinenden Örtlichkeiten inklusive nahe gelegenen Stränden oder Mangrovensümpfen.

Fischfang- und -verarbeitung: fishy business

Fisch ist integraler Bestandteil des Speiseplans vieler pazifischer Inselbewohner, mit einer jährlichen Pro-Kopf-Fischaufnahme von z.B. 200 Kilogramm in Kiribati. Im Pazifik ist die nicht-nachhaltige Ausbeutung der Fischbestände durch Übersee-Flotten in der gesamten Region an der Tagesordnung. Aufgrund der Überfischung haben sich die Fangmengen einiger Staaten wie z.B. Vanuatu drastisch verringert (1999: 90.000 Tonnen; 2001: 30.000 Tonnen) und zu Gesundheitsproblemen unter der Inselbevölkerung geführt, deren Ernährung sich jetzt hauptsächlich auf Importe weniger nahrhafter Nahrungsmittel stützt.

Das Räuchern von Seegurken (Bêche-de-mer oder Trepang) kann schädlich sein für lokale Waldbestände - bis zu 10 Tonnen Holz werden benötigt, um eine Tonne des Fangs zu räuchern.

Die Fischerei jenseits der Küstengewässer auf Arten wie den Echten Bonito birgt ein bedeutendes Potential für die langfristige ökonomische Entwicklung der Regionen. Es wurde geschätzt, dass ein Drittel des weltweit angelandeten Thunfischs aus dem Pazifik stammt; davon gehen bis zu 60% in die Konservenindustrie und 30% in den japanischen Sashimi-Markt. Gegenwärtig sind die ökonomischen Erträge der Inselbewohner jedoch gering, wenn sie mit den entnommenen Fangmengen der Übersee-Flotten und den dafür entrichteten, relativ geringen Lizenzkosten verglichen werden.

Die Pazifikbewohner erhalten so weniger als 10% aus den auf zwei Milliarden US-Dollar jährlich geschätzten Einkünften. Trotz der extrem schlechten Arbeitsbedingungen sind die Bewohner von Fidschi froh, eine Arbeit in der staatseigenen Pacific Fishing Company (PAFCO) zu finden. Der hier konservierte Thunfisch ist sogar delphinfreundlich gefangen und wird in den USA und Europa abgesetzt; die US-amerikanische BumbleBee Seafood sah für die PAFCO schon vor einiger Zeit eine goldgeränderte Zukunft anbrechen und hatte wahrscheinlich die eigene im Sinn. Nichtregierungs-Organisationen in Fidschi riefen unterdessen angesichts der miserablen Arbeitsbedingungen vor Ort zum Boykott verschiedener PAFCO- und BumbleBee- Produkte auf.

Abwässer

Der hohe Düngemittel-Eintrag der Landwirtschaft von Mauritius bedroht die die Insel umgebenden Korallenriffe. Auf einigen anderen Inseln führte die Einleitung kommunaler und landwirtschaftlicher Abwässer ins Meer zu vermehrt auftretenden Algenblüten (z.B. sind 90% der Abwässer im Pazifik unbehandelt). Daraufhin verzehrte Muscheln oder Fisch können zur Ciguatera-Krankheit führen, die sich in Durchfall, Übelkeit und gastrointestinalen Schmerzen äußert.

Hurrikan "Ivan"

Während des Hurrikans "Ivan" im vergangenen September entstanden allein in Grenada Schäden in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar, eine Summe, die das Bruttosozialprodukt des Inselstaats um mehr als das Doppelte übersteigt. Fast 90% der Häuser, inklusive Schulen und Krankenhäuser, wurden zerstört. Die Bananenindustrie wurde verheert, mehr als 90% der Bewaldung und Einzugsgebiete von Flüssen verwüstet. Hurrikane setzen Archipelen in anderen Weltmeeren ebenfalls zu.

Wirtschaftliche Lage

Die Vertreter der SIDS haben in Port Louis größere Vergünstigungen im internationalen Handel gefordert. Die internationale Gemeinschaft solle ihre Märkte für die Exportgüter der kleinen Inselstaaten öffnen. Momentan fühlen sich diese Länder auf dem Weltmarkt immer stärker an den Rand gedrängt.

UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, dass die Vereinten Nationen auch weiterhin technische Unterstützung im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort anbieten. Hilfe fließt auch aus einzelnen Geber-Ländern, doch erfolgt diese mit ökonomischen Interessen im Hinterkopf.

Aufgrund von Geschäfts- und Rohstoffinteressen beglückt zum Beispiel Australien Papua-Neuguinea. Die Förderung erfolgt dabei alles andere als nachhaltig: Papua-Neuguinea ist die vom Bergbau am meisten beeinträchtigte Insel des Pazifiks. Japans Engagement in der Gegend hat Fischereiinteressen und die Ausbeutung mariner Ressourcen zum Hintergrund. Doch häufig verschwinden die Hilfsgelder in den Clans der Insel-Eliten oder versickern woanders. Soll die Hilfe tatsächlich etwas bewirken, muss das ganze System der Hilfeleistung überholt werden.

Beispiel Nauru

Ein Vorzeigebeispiel für eine katastrophale Entwicklung ist Nauru. Vor 30 Jahren noch erfreute sich die Insel des zweitgrößten Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukts (nach Saudi-Arabien) weltweit. Heute ist das Land bankrott.

Der Reichtum der Insel, die Phosphat-Lagerstätten, geht zur Neige; zwei Drittel der Inselfläche sind verödet. Außerdem erklärte der United States Patriot Act (Section 311) Nauru wegen Geldwäsche zu einem "Schurkenstaat".

Um den ständig wachsenden finanziellen Problemen zu begegnen, wird selbst vor den dubiosesten Deals nicht zurück geschreckt. Beredtes Beispiel ist die Unterbringung von Asylbewerbern auf dem Eiland - Asylbewerber, die Australien nicht aufnehmen mochte - gegen Geld (Australiens pazifische Lösung des Flüchtlingsproblems).

Die Lösungs-Vorschläge für die Misere reichen von der touristischen Vermarktung der phosphatabbau-bedingten Mondlandschaft Naurus über die Entlassung der Regierung bis zur Angliederung an Australien oder Neuseeland. Für Helen Hughes, Professor Emeritus an der Australien National University und langjährige Kennerin Naurus, jedenfalls steht fest:

If Nauru does not adopt the economic, political and social reforms that will give it a decent and healthy standard of living, aid cannot help it. Donors that succumb to pleas for aid will be taking money out of their taxpayers' pockets and throwing it away. If Nauru persists in the policies that have led to its present dire situation, it can only expect grudging and limited aid.